Joska Pintschovius (Hg.):
Heino Jaeger
Man glaubt es nicht. Leben und Werk
Zürich: Kein & Aber
480 S., geb., 2005
ISBN: 3-0369-5140-7
29,80 Euro

Ein Werkatlas zu Heino Jaeger, mit zahlreichen Bildern und Texten des Künstlers, einer umfangreichen biografischen Notiz vom Herausgeber Joska Pintschovius und einem Essay von Christian Meurer.

Heino Jaegers Erdendasein war gelebte Anarchie. Seit Kindsbeinen hirngespeicherte Lebenserfahrung ließ ihn der Menschen Werke einer gnadenlosen Prüfung unterziehen. Jaeger war kein Missionar. Mit seinen Stegreifgeschichten und seinem grafischen Werk gelang es ihm, "die armen Menschlein" für Minuten und Stunden zum Freigang aus ihren selbst geschaffenen Gefängnissen herauszuholen. "Ich verbreite mich nicht nur über das Wort, sondern male mir auch meine Welt", sagte er in einem Filminterview, wohl wissend, dass nur wenige der zahlreichen Jünger seiner Freiheitsverheißung folgen würden. Joska Pintschovius, Freund, Gefährte und amtlich bestellter Pfleger Heino Jaegers, hat sich auf Spurensuche begeben und aus Familiennachrichten, Briefen und Gesprächen mit Heino Jaeger und Freunden versucht, den Lebensweg des Genies zu verfolgen, von der Kindheit bis zum Ende im Pflegeheim. Resultat ist dieser umfassende Band, der Heino Jaeger aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet und eine stattliche Anzahl aus seinem Fundus an Bildern und Texten versammelt – eine Hommage an diesen zu lange unterschätzten Künstler.

"Bei Heino Jaeger und bei Klaus Stoldt werden neue Bilder gemalt, es ist eine andere Art des Zitierens, eine noch nicht anerkannte Art des Zitierens."

(Hubert Fichte)

WOLLI: Du kennst doch den Michael Mau? Der Sohn von Leonore Mau. Der saß auch immer bei uns oben - das ist ein Bild von ihm, da siehst du, wie gut der ist. Sehr, sehr guter Maler - und der leider verstorbene Heino Jaeger. Wir haben da oft gesessen. Das waren auch zwei! Wenn einer von denen reinkam, das war von mir schon automatisch, dass ich dem da einen Block hinlege und einen Stift:
- So, brauchst nicht zu fragen, kannst loskritzeln.
Ist der Jaeger dir ein Begriff? Ach, ganz, ganz was Tolles. Da hab ich verkauft, vor ein paar Jahren hat die Galerie Zwang, Christian Zwang eine Jaeger-Ausstellung gemacht, und ich war eigentlich der, der ihn richtig gesammelt hat. Der hat auch Schallplatten gemacht und mal Fernsehen. Einer der zu Unrecht vergessenen ganz, ganz Tollen.
Der hat bei uns gewohnt zeitweise, eine Woche, zehn Tage, und bei mir im Puff vier Wochen. Da hab ich ihm ein Zimmer gegeben, konnt er im Puff leben wie die Tillen. Aber Heino war äußerst gewöhnungsbedürftig. Sehr witzig und klug, aber... Na, in seiner Wohnung, als er einzog, waren die Bauarbeiter gerade raus, das war so ein Souterrain, eine Kellerwohnung, klein, und die hatten liegen lassen: einen Haufen Sand...

LINDA: Paar Mauersteine.

WOLLI: ...Mauersteine und so...

LINDA: Einen Spaten.

WOLLI: ...eine alte Schaufel so. Das war unverändert nach fünf Jahren noch genauso. Das einzige, was dazugekommen war, waren Unmengen von Müll: Tüten, alte Flaschen und auf dem Schreibtisch Speckschwarten! Man fragt sich, wie hat der in diesem Müll diese reinlichen, ganz sauberen großen Zeichnungen anfertigen können? Eins der Wunder. Heino hatte die Eigenschaft, sich zum Beispiel alle fünf Jahre mal die Zähne zu putzen, die hatten inzwischen so eine grüngraue Farbe und er hatte gar nichts im Sinn mit Waschen. Also: mit den gleichen Klamotten ins Bett gehen, vierzehn Tage, ohne sich einmal zu waschen, so dass die Bude stank und Renate sagte:
- Oh, ich weiß, seine Bilder sind gut, aber der Gestank! Das ist ja grauenhaft!
Und ich mein, so was ist gewöhnungsbedürftig. Aber Wolli ist ja ein ziemlich grobschlächtiger Typ, der sagte dann auch:
- Du kannst hier drei Tage schlafen, aber erst in die Badewanne, mein lieber Freund.
Aber Heino war ja ein interessanter Mensch. Sehr eigenartig, aber interessant. Auch liebenswert. Ein lieber Kerl!

LINDA: Ja.

WOLLI: Da freu ich mich doch, wenn er dasitzt und ein frisches weißes Hemd von mir anhat.

(Aus: Jan-Frederik Bandel: Fast glaubwürdige Geschichten. Über Hubert Fichte. Aachen: Rimbaud 2005)