Peter Fleischmann:
Dorotheas Rache
DVD Edition
Leipzig: Arthaus/Kinowelt 2005

Mit Solange Michouliers ZDF-Doku "Palais d'Amour"
Martin Walser, 1974:

"Dorotheas Rache ist ein Pornofilm. Er beutet die dem Film generell mögliche Unmittelbarkeit aus. Dass die Sexualszene ein hohes Maß an ausgebeuteter Unmittelbarkeit hat, scheint sicher zu sein. Und je mehr ein Pornofilm auf die Unmittelbarkeit eines Stoffs spekuliert, desto langweiliger muss er werden. Das wussten die Hersteller der Pornos, die ich vor Dorothea gesehen hatte, auch. Sie bemühten sich deshalb, ihre Sexszenen zu schönen. Fleischmann hat ganz selbstverständlich, das heißt ganz unwillkürlich, eine hässliche Szene nach der anderen produziert. Manche dieser Szenen sind nur hässlich. Dadurch werden sie dem Zuschauer mehr oder weniger widerlich. Beispiel: Drei fette Männer um vierzig schlafen mit der Heldin, und dadurch geschieht an Erlösung oder Befriedigung viel weniger, als wenn es einem gelingt, einen Spreißel aus der Fußsohle zu ziehen; sichtbar wird nur der Zwang zum kollektiven Sexual-Amol, Ein Zwang zur Beleidigung. Zur Verletzung. Manche dieser Szenen sind in ihrer Hässlichkeit sehr komisch. Beispiel: Die in dem Film eingebauten Parodien eines Aufklärungsfilms. Der Aufklärungsfilm als gesellschaftliches Pädagogikunternehmen ist leicht parodierbar. Aber Fleischmann hat durch Masken und Maschinen eine Parodieschärfe erreicht, die an Sternheim oder Buñuel erinnert. Oder als George Grosz und an Tomi Ungerer. Manche dieser Szenen sind in ihrer Hässlichkeit auf die sozusagen religiöse Art schön. Beispiel: Ein schwachsinniger Exhibitionist, der schon gejagt wird, wird von Dorothea in einer dunklen Ecke befriedigt; sein Stoßatem regt eine verhärmte Passantin an, stehenzubleiben und sich ihrerseits mit dem Kinderwagengriff um Befriedigung zu bemühen. Später jagt der Schwachsinnige wieder durchs nasse Schneetreiben, die Erlöserin ist weg...“

Die DVD-Edition enthält neben dem Film selbst, in dem auch die als Chinesen-Babs bekannte Ex-Palettianerin und Salambo-Stripperin Barbara Ossenkopp eine Rolle spielt, unter anderem eine von Solange Michoulier für das ZDF produzierte Dokumentation über das – in Fichtes Büchern ausgiebig literarisierte – "Palais d’Amour" und den Kiez zu Zeiten der "sexuellen Revolution".